Von der (Un-)Kultur des Wassertrinkens

Deutschland ist ein Saftland, zumindest beim Trinken. Das beweist die EPICStudie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition), die europaweit den Zusammenhang zwischen dem Ernährungsverhalten und Krebs untersuchte. Das Ergebnis: Im europäischen Vergleich sind wir Spitzenreiter im Safttrinken. Ob als Schorle oder pur, unangetastetes Lieblingsgetränk ist der Apfelsaft, von dem wir pro Kopf 19 Liter im Jahr zu uns nehmen.

Nun könnte man einen Hang zu gesundem Trinkverhalten vermuten, gilt doch Apfelsaftschorle als idealer Durstlöscher und Mineralstofflieferant nach dem Sport. Doch weit gefehlt. Die Studie brachte es an den Tag: Noch mehr als Saft tragen Kaffee und alkoholische Getränke zur Flüssigkeitsversorgung bei.

Offensichtlich mögen die Deutschen Getränke mit Geschmack sowie belebenden oder anderen „Nebeneffekten“. Aus ernährungsphysiologischer Hinsicht nicht die beste Lösung: Die meisten dieser Getränke enthalten keinerlei wertvolle Inhaltsstoffe, schlagen dafür aber öfter einmal mit allerhand Kalorien zu Buche. Selbst der Kaffee, an sich völlig kalorienfrei, macht sich, mit Milch und Zucker getrunken, in der Nährwertbilanz deutlich bemerkbar.

Dabei wäre es doch so einfach und günstig, den Durst auf gesunde Weise zu löschen: mit Trinkwasser aus der Leitung oder Mineralwasser – dank Null Kalorien ein figur- und gesundheitsfreundlicher Genuss. Doch genau hier liegt das Problem. Durst ist eben nur selten unser Trink-Auslöser. Wir trinken, weil wir etwas „schmecken“ möchten, weil wir ein Glas brauchen, um uns daran festzuhalten, aus Geselligkeit und, und, und – Anlässe, bei denen Wasser keine oder nur eine geringe Rolle spielt. Beim Empfang, Anstoßen oder Zuprosten greift man eben selten zu Wasser. Und kaum einer wird sich „auf ein Glas Wasser“ in der Kneipe treffen.

Wenn wir Wasser trinken, dann nicht, um es zu „goutieren“, sondern um möglichst schnell einen Bedarf zu befriedigen, etwa nach dem Sport, bei großer Hitze etc. Und: Oft ist es uns ganz gleich, welches Wasser wir trinken. Dabei gibt es deutliche Unterschiede. Laut IDM (Informationszentrale Deutsches Mineralwasser) schmeckt natrium- und chloridreiches Wasser (je > 200 mg/l) leicht salzig, sulfatreiches Wasser (> 200 mg/l) eher süßlich bis leicht bitter, magnesiumreiches Wasser (> 50 mg/l) zart würzig. Kein Wunder also, dass Sommeliers zu ihren Weinen inzwischen ein passendes Mineralwasser empfehlen, denn die falsche Wasserwahl würde den Genuss edler Tropfen schmälern. Und auch das Berliner Hotel Adlon setzt auf Geschmacksvielfalt und offeriert seinen Gästen eine spezielle Wasserkarte mit 39 verschiedenen Angeboten (das Teuerste für an die 40 €). So hochpreisig muss es für den Normalverbraucher gar nicht sein. In Deutschland haben wir Trinkwasser in Topqualität und auch günstigere Mineral- und Heilwässer sind hochwertige Getränke.

Verstehen wir uns nicht falsch. Es geht nicht darum, den Genuss eines Glas Weins, eines Pfirsichsafts oder selbst einer braunen „Brause“ zu verdammen. Doch vielleicht sollten uns die Weinkenner und Hoteliers ein wenig inspirieren: Nämlich dazu, selbst einmal unterschiedliche Mineralwässer zu probieren oder sie unseren Gästen zu servieren. Vielleicht kommen wir dann auf den Geschmack und gönnen uns öfters – ein Glas Wasser!

Dass Wasser in den Köpfen der Menschheit immer noch ein widersprüchliches Lebensmittel ist, zeigte auch das Symposium „Wasser trinken“, das der Internationale Arbeitskreis für Kulturforschung des Essens auf Einladung der Dr. Rainer Wild-Stiftung vom 18.-20. Mai 2006 in Heidelberg veranstaltete. Es wurde deutlich, dass im Zeitalter zunehmender Ernährungsprobleme dem Wasser nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Raum eine höhere Wertschätzung eingeräumt werden sollte. Auszüge aus der Tagung finden Sie unter www.gesunde-ernaehrung.org.

Facts rund ums kühle Nass

Gesundheitliche Aspekte

  • - Legt man die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zugrunde, müsste man 550 Liter jährlich trinken. Decken wir diesen Bedarf ausschließlich mit Limonaden und Colagetränken, nehmen wir effektiv nur 450 Liter reine Flüssigkeit auf und 230.000 kcal gratis dazu. Diese Kalorien machen aber nachweislich nicht satt: Denn wer beim Essen z. B. ein Colagetränk trinkt, isst nicht weniger, als wenn er ein Glas Wasser trinken würde.
  • - Wasser mit und ohne Kohlensäure ist das ideale Getränk, denn es liefert 100 % Flüssigkeit bei Null Kalorien.

Der Mineralwassermarkt

  • - Der Absatz an Mineralwasser steigt stetig: 128 Liter pro Kopf im Jahr 2005.
  • - Marktführer ist immer noch das traditionelle Mineralwasser mit Kohlensäure.
  • - Der Trend geht allerdings zum Wasser ohne oder mit wenig Kohlensäure. In den letzten 10 Jahren hat sich der Absatz an stillen Mineralwässern versiebenfacht. Sie nehmen inzwischen einen Anteil von etwa 40 % ein.

Wasser weltweit

  • - 2 Milliarden Menschen haben keinen Zugriff auf sauberes Wasser.
  • - Millenniumsziel der UN: Bis 2015 soll der Anteil der Menschen ohne dauerhaft gesicherten Zugang zu hygienisch unbedenklichem Trinkwasser und sanitärer Basisversorgung halbiert werden.

Weitere Informationen:

Dr. Rainer Wild-Stiftung
Nicole Schmitt
Mittelgewannweg 10
69123 Heidelberg
Tel.: +49 (0) 6221/75 11-225
Fax: +49 (0) 6221/75 11-240
E-Mail: nicole.schmitt@gesunde-ernaehrung.org

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