Ernährungs-Blog

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Weizensensitivitäten im Fokus

Life Science Dialogue

Neueste Erkenntnisse über weizenassoziierte Beschwerden und den zugrunde liegenden Erkrankungen im Rahmen des Vortrages von Professor Dr. Dr. Detlef Schuppan beim Life Science Dialogue am 19.04.2018 in Heidelberg.

Der wachsende Umsatz der Industrie für glutenfreie Produkte lässt vermuten, dass es nicht nur die Zöliakie ist, die mit weizenassoziierten Beschwerden in Verbindung gebracht werden kann. Konkret benannt handelt es sich um drei zentrale Weizensensitivitäten, die mit entzündlichen Reaktionen des Darmes oder anderen Symptomen einhergehen: Die Zöliakie, die Weizen-Allergie und die ATI(Amylase-Trypsin-Inhibitoren)-Sensitivität.

Erste Berichte über die Kultivierung des Weizens stammen aus der Ost-Türkei vor elftausend Jahren. In die mitteleuropäische Ernährung eingeführt wurde das Grundnahrungsmittel erst vor circa siebentausend Jahren und kann deshalb, vor allem für unsere Gene, als noch sehr junges Nahrungsmittel eingestuft werden. Heutzutage erfolgt der Großteil des Weizenanbaus in den Ländern der europäischen Union, in China und Indien. Da auch in den Ländern in denen der Weizenverzehr bisher nicht unbedingt üblich war, Anbau und Konsum stetig zunehmen, zählt Weizen weltweit zu den Hauptgrundnahrungsmitteln. Daraus resultiert auch die breite Palette an gut definierten weizenassoziierten Erkrankungen, von denen Schätzungen zu Folge etwa 15 % der Bevölkerung betroffen sind.

Bei der Zöliakie handelt es sich um eine Immunreaktion gegen Gluten-Peptide aus Weizen und anderen Getreidesorten wie Dinkel, Roggen und Gerste, die mit einer Prävalenz von 0,9 % bis 2,5 % in der Bevölkerung auftritt. Die durch die aggressive T-Helferzellen-Typ 1-Reaktion verursachten Schäden an der Dünndarmschleimhaut führen zu Villusatrophie und Kryptenhyperplasie. Daraus resultierend leiden Patienten an schweren Diarrhoen, Malabsorptionssymptomen oder einer atypischen Symptomatik wie beispielsweise Migräne. Unbehandelt kann die Zöliakie schwere Komplikationen in Form von malignen Tumoren insbesondere des Dünndarmes und Autoimmunität nach sich ziehen.

Die Zöliakie ist bislang nicht heilbar. Die Behandlung dieser Unverträglichkeit besteht in einer strikt glutenfreien Ernährung. Die Einhaltung dieser Diät im Alltag erweist sich aber aufgrund der Reaktion gegenüber minimalsten Mengen an Gluten als sehr schwierig und stellt für die Betroffenen oft  eine große soziale Belastung dar. Zur Unterstützung wird daher in manchen Fällen eine begleitende medikamentöse Therapie empfohlen.

Die Pharmaindustrie verfolgt mehrere Ansätze für eine solche Begleittherapie. Die Forschungsgruppe um Professor Schuppan testet in einer Studie aktuell eine Art Hemmstoff, der die Aktivierung des Glutens im Darm zu einem immunogenen Gluten hemmt, und somit die Immunreaktion verhindert.

Die zweite der Beschwerden im Trio der Weizensensitivitäten ist die Weizenallergie. Bei Kindern tritt diese meist als IgE-positive Sofortreaktion nach Kontakt mit dem Allergen auf. IgE-positive Reaktionen sind klassische Allergien im Sinne der Antikörperproduktion gegen das betreffende Allergen. Erwachsene sind häufig IgE-negativ und fallen durch verzögerte Reaktionen nach Kontakt mit Weizen auf. Den Betroffenen wird vermehrt die Diagnose Reizdarm gestellt und die durch die Allergie hervorgerufenen entzündlichen Reaktionen im Darm sind nur mittels Endoskopie feststellbar. Die Symptomatik bessert sich jedoch oftmals nach Ausschluss von Weizen aus der Ernährung.

Die dritte der weizenassoziierten Beschwerden, die sich nicht in die Bereiche der Zöliakie oder der Weizenallergie einordnen lässt, ist die sogenannte ATI-Sensitivität. Bei dieser bestehen bei den Betroffenen Beschwerden, die eindeutig auf Weizenkonsum zurückzuführen sind, während allerdings die Ergebnisse einer Darmbiopsie ohne erkennbaren Befund bleiben. Ursache der Beschwerden ist eine Aktivierung der angeborenen Immunität einschließlich Makrophagen und dendritischen Zellen Die Substanzen die zu dieser Aktivierung führen sind nicht der Klasse der Gluten-Peptide zuzuordnen, sondern der Klasse der Weizen-Amylase-Trypsin-Inhibitoren, die im Getreidekorn eine Funktion bei der Keimreifung haben und durch die Enzyme des Darmes so gut wie nicht abbaubar sind.  Auf diese Aktivierung hin erfolgt eine Freisetzung von Zytokinen, Chemokinen und weiteren Entzündungsmediatoren, die für die weitere Symptomkaskade verantwortlich sind.

Die Symptomatik ist dabei weniger im Darm lokalisiert. Häufiger kommt es zur Verschlechterung von Autoimmun- und Stoffwechselerkrankungen, die mit dem individuellen Weizenkonsum assoziiert werden können. Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Gluten weisen gleichzeitig auch oftmals eine hohe ATI-Aktivität auf. Durch eine ATI-reduzierte Diät können die entsprechenden Symptome vermindert werden.

Diese Darstellung der weizenassoziierten Erkrankungen soll nicht zu einer grundlegenden Verteufelung des Weizens führen. Viel mehr gilt es, künftig Diagnoseverfahren zu etablieren, die klare und differenzierte Diagnosen im Bereich der Weizensensitivitäten möglich machen.

Quelle: Vortrag von Prof. Schuppan beim Life Science Dialogue am 19.04.2018 in Heidelberg.

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Weitergehende Informationen nachzulesen in:

Schuppan & Gisbert-Schuppan (2018). Tägliches Brot: krank durch Weizen, Gluten und ATI. Springer Science, Berlin

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